Einmal andersrum betrachtet – der Super-Gau

Als ich irgendwann im Frühjahr über einem Flohmarkt in unserem Ort schlenderte, stand ich neben einer Afrikanerin, die offensichtlich in unserem Asylheim wohnte. Sie fragte nach dem Preis einer Packung mit Haargummis und versuchte zu handeln. Dort, wo sie herkommt, ist Handeln natürlich üblich. Die Händlerin fuhr sie aber derart barsch an, dass ich, die ich daneben stand, mich für sie fremdschämte. Dieses Erlebnis war für mich der Auslöser, mich im Asylheim zu engagieren. Ich dachte: Wie sollen sich die Leute hier integrieren, wenn sie am Ortstrand isoliert werden und nicht teilhaben können an unserem Leben.

Nun gehe ich einmal die Woche in unser Asylheim, um dort mit Kindern zu basteln. Es ist sehr anstrengend, weil nur wenige Deutsch sprechen, und weil Jungen und Mädchen verschiedener Altersgruppen da sind. Trotzdem tut es gut, etwas Gutes zu tun …

Einige Leute im Ort mokieren sich darüber, dass die Asylbewerber alle ein Smartphone zu haben scheinen. Was brauchen die ein Smartphone? Und woher haben die das Geld? Natürlich aus unserem Steuertopf!!!

Ein Mann, mit dem ich einmal über unser Asylbewerberheim sprach, erzählte erbost, dass ihn ‚einer von denen‘ gefragt hätte, ob er ihm sein Auto verkauft, er könne bar bezahlen. „Hat so viel Geld, dass er angeblich ein Auto bar bezahlen kann, kommt hier her und lässt sich von uns aushalten?!!!“

Halt – stopp, Leute! Nicht alle Flüchtlinge kommen mit Fetzen am Leib in Booten übers Meer. Eine syrische Familie, die flieht, weil sie politisch verfolgt wird, lässt vielleicht ein großes, schönes Haus zurück, eine Firma, die ganze übrige Familie. Alles was den Leuten bleibt sind Geld und Schmuck, den man am Leib verstecken konnte, und das Smartphone mit den Fotos und Adressen aus der Heimat. Das Geld müssen sie deklarieren und bekommen erst etwas, wenn sie selbst nichts mehr haben. Das Smartphone dürfens sie behalten …

Ein Afrikaner, der sich hier im Monat 20 Euro vom Mund abspart, investiert sie in ein Smartphone, damit er Kontakt zu seinem Land halten, die Zeitung von Zuhause lesen, seine geliebte Musik hören kann. Lieber soll der Magen knurren, als dass er auf diese einzige Verbindung zu seiner Heimat verzichten muss.

Ich habe einmal einen Bericht über eine afrikanische Theatergruppe gehört, die ein Stück geschrieben und inszeniert hat, in dem die Flüchtlingssituation umgekehrt wird. In Europa hat der große Super-Gau das Land verwüstet und amtomverseucht. Die Europäer fliehen deshalb massenweise nach Afrika. In Afrika jagt man sie zurück aufs Meer, lässt sie ertrinken. Oder Wachmänner foltern sie. Sie werden stundenlang verhört, müssen die intimsten Dinge und Gedanken preisgeben, werden dann in Massenlager gesteckt und behandelt wie Abschaum – und das, wo sie doch gerade alles verloren haben. Partner, Heimat, Besitz, Zukunft, Mut und fast auch ihr Leben.

KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERA

Die Theatergruppe wollte mit dem Stück Europäer wie Afrikaner ansprechen.

Schaut her, so ist das, wenn ihr um euer Leben fliehen müsst …

Schaut her, so ist das, wenn plötzlich eine Invasion von Leuten in euer Land einfällt …

 

 

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